Sonntag, 17. Mai 2009

Erhabene Belanglosigkeit

Gut zu wissen, dass manche Dinge wohl bis zur Apokalypse Bestand haben werden. So auch die deutsche Überzeugung, wenn man nur oft genug ein krampfhaft auf Hit gebügeltes Stück Musik auf die Bühne wirft, käme irgendwann ein Sieg beim Grand Prix dabei raus. Wie herrlich blödsinnig diese Überzeugung ist, durften der swingende Alex C. und sein singender Exilkubaner Oskar H. zwar nicht so eindrucksvoll beweisen wie letztes Jahr die No Angels; aber dass mal wieder kein Blumentopf zu gewinnen war, dürfte wohl niemanden wirklich gewundert haben. Oder gar aufgeregt. Fast schien es nämlich so, als sei das deutsche Abschneiden eh allen egal. Angefangen bei Thomas Anders, Schanett Biedermann und HaPe Baxxter, hin zu dem zum Glück unsichtbar bleibenden Kommentator Tim Frühling, dessen verbale Tapsigkeit erst gegen Ende leicht in grenzdebil-kindische Fröhlichkeit abglitt, vermutlich aus reiner Langeweile. Ansonsten führte der arme Mann mit dem Charisma eines zertretenen Krokus durchs Programm, bettelte pflichtschuldig um ein paar Punkte fürs Vaterland und durfte anschließend duschen gehen. Nur gelegentlich geriet er ein wenig aus dem Häuschen und gluckste fröhlich vor sich hin, wenn ihn etwas amüsierte. Passend dazu der deutsche Auftritt. Ein glitzernder, verkrampft grinsender Latino plus demonstrativ lustloses Räkeln seitens „Dieta fonn Ties“. Sich Mühe geben sieht anders aus, aber wenigstens wurde ein bisschen Lärm gemacht. Vielleicht ist man aber nach all den Jahren des Scheiterns auch schlicht abgestumpft.
Doch auch alle anderen Beteiligten taten ihr Bestes, den diesjährigen Grand Prix noch mehr als sonst zu einem Festival erhabener Belanglosigkeit zu machen. Allen voran der norwegische Siegertitel, vorgetragen von einem schelmisch lächelnden Männlein mit Geige, dass mich dezent an meinen Freund M. aus MG erinnerte. Womit das bemerkenswerteste an dem Herrn bereits abgehakt wäre. Dass der Knabe dennoch sämtliche Konkurrenz in Grund und Boden fiedelte, sei ihm gegönnt. Sein Auftritt tat mit am wenigsten weh, kleine Hunde tritt man auch nicht und ich mag Skandinavien. Erschreckender – oder schlicht belustigender - waren da andere Auftritte. So belegten zum Beispiel die Finnen eindringlich, was sechs Monate Dunkelheit pro Jahr aus Menschen machen können. Die restlichen Beiträge reichten von albern-dilettantisch (tanzende Gnome und ein türkisfarbener, palliettenbewehrter Maskierter aus Albanien), putzig (Portugal mit einer MeiteKellyOsbourne-Hybride oder eine Art dicker Celine Dion aus Malta) bis zu Mitleid erregend (Patricia Kaas, die am Todestag ihrer Mutter seltsam verkrümmt und in furchtbarem Make-up einen Standard-Chanson zum Besten geben musste). Ganz zu schweigen vom „griechischen Robbie Williams“ oder Svetlana Lobotomia, die, begleitet von der Schwulentanzgruppe des Circus Maximus, dem Publikum eine fürchterlich aggressiv-aufdringliche Dance-Popnummer entgegen schrie.
Umso ruhiger das Rahmenprogramm. Mit der Entspanntheit eines vollgefressenen sibirischen Bären führten die Moderatoren durch ein Programm, dessen künstlerischer Höhepunkt nach der Eröffnungsnummer des Cirque du Soleil bereits abgehakt war. Stattdessen bekam der geneigte Zuschauer ein wenig Russischnachhilfe – wer hätte gedacht, dass „Gagarin“ im Englischen „Gagarin“ heißt? – plus einen an Gemütlichkeit kaum zu toppenden Comedyeinspieler über Russenklischees geboten. Zumindest Tim Frühling zeigte sich freundlich amüsiert. Als letzte Innovation neben dem guten Abschneiden Englands sei noch die Liveschalte zur ISS erwähnt. Völlig unspektakulär doch guter Dinge leiteten zwei Kosmonauten die Abstimmung ein; Herr Frühling zeigte sich ob der Möglichkeiten der modernen Satellitentechnik angemessen erstaunt: „das hat es auch noch nicht gegeben."
Ob man diese Ausgabe der gesungenen Europawahl wird überbieten können? Den Organisatoren in Norwegen steht eine große Aufgabe bevor. Denn zumindest in einer Hinsicht haben die Russen die Messlatte sehr hoch gelegt: eine solch fast schon kongeniale Vermählung des Trash mit gut gelaunter Unbeholfenheit muss man erstmal hinkriegen.

4 Kommentare:

  1. Dabei frohlockte Frau Supermerkel auf L1ve doch bereits am Freitag, das der Gewinner des Grand-Prix doch bereits seit dem Ausscheiden der Ralf-Siegel-Nummer feststehen würde: Das Publikum! Naja irren ist menschlich..

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  2. Wat bin ich froh, dass ich besseres zu tun hatte..

    Sach ma, ihr zwei macht auch alles zusammen, was? ;) Jedenfalls auch ein herzliches Willkommen im Bliblabloggerland auch an dich!

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  3. Dabei hatte sich das Team doch mit Ditta von Teese soviel Mühe gemacht...

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  4. Mühe? Mit der Restaurierung oder mit der Inszenierung? Ersteres war ja ganz nett, Letzteres fand ich sehr überflüssig, man fragte sich ob sie sich nicht wenigstens die Mühe hätten machen können so zu tun als wäre die Frau irgendwie Teil der Show..^^;)

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